Holz und seine Eigenschaften – Quellen, Schwinden und Werfen

Vielleicht fragen Sie sich, warum Holz manchmal krumm wird oder Risse bekommt, ohne dass es eine feststellbare Einwirkung von außen gegeben hat. Und was genau bedeuten die Begriffe Quellen, Schwinden und Werfen? Diese Fragen werde ich in diesem Artikel beantworten. Haben Sie die besonderen Eigenschaften von Holz einmal verstanden, können Sie bei der Materialauswahl besser entscheiden, welches Holz für Ihr Projekt geeignet ist. Sie machen weniger Fehler beim Holzeinkauf und auch bei der Konstruktion von Möbeln.

 

Risse im Stammquerschnitt werden durch die Schwundbewegung des Holzes verursacht.

Holz und Feuchtigkeit

Das Besondere an Holz ist, dass es Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben kann. Ändert sich also die Luftfeuchtigkeit in der Umgebung, bewirkt dies auch Schwankungen im Feuchtegehalt des Holzes.

So geben Holzbauteile in beheizten Gebäuden während des Winters Feuchtigkeit an die trockene Raumluft ab. Denn es besteht ein Feuchtigkeitsgefälle zwischen der Luft und dem Holz. Das Holz trocknet und verringert seine Maße.  Außerdem kann es seine Form verändern, sich z. B. wölben.

Wird die Luft nach der Heizungsperiode wieder feuchter, nimmt das Holz Feuchtigkeit auf. Wieder kommt es zu Maß- und Formveränderungen. Die Abmessungen von Holzbauteilen werden etwas größer. Man sieht das beispielsweise daran, dass Risse in Massivholzfüllungen im Sommer auf „wunderbare“ Weise wieder verschwinden oder Haustüren aus Massivholz plötzlich ohne zu klappern schließen.

Beim Holzeinkauf erleben wir dieses Phänomen auf unangenehme Weise. Man kauft ein in Folie eingeschweißtes Brett im Baumarkt, welches völlig gerade und eben ist. Zuhause packt man das Brett dann aus. Bereits nach zwei Tagen stellt man eine deutliche Wölbung der Brettoberfläche fest. Denn das Brett hat sich an die Luftfeuchtigkeit in der Wohnung angepasst und sich in Folge dessen in seiner Form verändert.

Quellen, Schwinden und Werfen

Diese beschriebene Fähigkeit des Holzes, seine Maße bei Änderung der Luftfeuchtigkeit zu verändern, nennt man „Quellen und Schwinden“. Dabei bezeichnet man die Verringerung der Maße als Schwund. Man sagt: „Das Holz schwindet.“ Die Vergrößerung der Maße bezeichnet man als Quellen. „Das Holz quillt.“ Kommt es zusätzlich zu einer Wölbung des Holzes, spricht man von „Werfen“. Das Holz wirft sich.

So kann ein Brett, welches im Sommer 100 mm breit ist, im Winter durchaus nur 99 mm in der Breite messen. Man sagt dann: „Es ist um einen Millimeter geschwunden.“ Gleichzeitig können Veränderungen in der Form auftreten. Auf welche Weise sich die Form verändert,  wird durch die Lage der Zellen im Holz bestimmt. Durch Unterschiede in der Holzstruktur kommt es zu unterschiedlichen Schwundmaßen im Holz.

Unterschiedliche Schwundrichtungen

In einem Baumstamm lassen sich drei Schwundrichtungen benennen:
Der Längsschwund oder Axialschwund wirkt in Richtung des Faserverlaufs. Das heißt parallel zur Stammachse. Der Tangentialschwund wirkt parallel zu den Jahresringen. Und der Radialschwund wirkt vom Stammmittelpunkt radial zur Rinde hin.

Parallel zur Stammachse ist der Schwund mit 0,3% am geringsten.
Der Pfeil mit dem „T“ stellt den Tangentialschwund dar. Man stellt sich eine Tangente vor, welche am Jahresring liegt. Daher nennt man diese Schwundrichtung Tangentialschwund. Parallel zum Jahresring ist der Schwund (Tangentialschwund) mit 10% am höchsten. Der Pfeil mit dem „R“ bezeichnet den Radialschwund. Mit ca. 5% ist der Radialschwund nur ca. halb so groß wie der Tangentialschwund.
Die Schwundrisse in dieser Stammscheibe werden vom Mittelpunkt nach außen immer größer. Das liegt an den großen Unterschieden im Schwund zwischen Tangential- und Radialschwund. Der Tangentialschwund ist ca. doppelt so groß wie der Radialschwund.

Schwundverhalten bei Brettern

Für das Schwundverhalten von Brettern ist entscheidend, an welcher Stelle sie aus dem Stamm geschnitten wurden. Wo ein Brett im Stamm herausgeschnitten wurde, erkennt man daran, wie die Jahresringe im Querschnitt des Brettes liegen. Man unterscheidet zwischen Seitenbrett, Mittelbrett und Kernbrett.

Beim Seitenbrett sind die Jahresringe eher liegend. Beim Mittelbrett findet man liegende und stehende Jahresringe. Beim Kernbrett findet man ausschließlich stehende Jahresringe. Zudem findet man bei Kernbrettern manchmal die sogenannte Markröhre. Das ist der Mittelpunkt des Stamms. Meist schneidet man die Markröhre aus dem Brett heraus, weil sich dort Risse bilden.

Mit den folgenden Skizzen will ich die Unterschiede zwischen den verschiedenen Brettarten verdeutlichen. Die Skizzen sind dabei nicht ganz realitätsgetreu. Vor allem bei der Formveränderung der Bretter habe ich übertrieben, um die Schwundbewegung deutlich zu machen:

Im Sägewerk schneidet man Baumstämme zu Brettern auf. Man unterscheidet zwischen Kern-, Mittel- und Seitenbrettern.

Beim Seitenbrett verlaufen die Jahresringe eher liegend im Querschnitt.
Schwindet ein Seitenbrett bildet sich die hohle Seite auf der dem Stammkern abgewandten Seite. Die Schwundbewegung in der Breite ist eher stark. Schwindet ein Seitenbrett verformt es sich stärker als Kern- oder Mittelbretter.
Ein Mittelbrett hat sowohl stehende Jahresringe als auch geneigte Jahresringe in einem Winkel von ca. 45° Grad.
Beim Mittelbrett bildet sich die hohle Seite auf der dem Kern abgewandten Seite. Es wölbt sich jedoch weniger stark als das Seitenbrett.
Kernbretter zeigen fast nur stehende Jahresringe. Der direkte Kernbereich ist meist aufgerissen und unbrauchbar. Darum wird er weggeschnitten.
Das Kernbrett schwindet in der Dicke stärker als das Seitenbrett und das Mittelbrett. Der Vorteil eines Kernbretts ist, dass es kaum Formveränderungen zeigt, wenn es schwindet. Darum sind Kernbretter besonders geeignet, wenn es um Bauteile geht, welche besonders formstabil sein sollen. Dies gilt beispielsweise für Rahmenkonstruktionen.

Worauf sollte man beim Holzeinkauf achten?

Bevorzugen Sie Kernbretter und Mittelbretter. Der Vorteil ist, dass sie formstabiler sind als die Seitenbretter. Sind Bretter in einer Plastikfolie eingeschweißt, ist noch eine Schwundbewegung zu erwarten. Denn solange das Brett in der Plastikfolie steckt, kann das Brett keine weitere Feuchtigkeit abgeben. Wird die Plastikfolie jedoch entfernt, beginnt auch das Holz wieder, Feuchtigkeit abzugeben. Ich kaufe daher lieber ein gerades Brett, welches nicht in einer Plastikfolie eingeschweißt ist.

Prüfen Sie vor dem Einkauf mit einem Winkel, ob sich das Brett bereits geworfen hat. Fluchten Sie mit dem Auge entlang der Kante des Bretts, ob es auch gerade ist. Achten Sie außerdem darauf, ob in der Fläche die Markröhre des Baums zu sehen ist. Dann ist an dieser Stelle der Kern nicht weggeschnitten worden, und es sind Formveränderungen zu erwarten.

Urban-Woodworking Rat:

Um später unerwünschte Überraschungen zu vermeiden, berücksichtigen Sie am besten schon bei der Planung von Holzprojekten die zu erwartenden Veränderungen der Holzbauteile in ihren Maßen und in ihrer Form.

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