Als ich im Sommer 2023 über die aktuelle Architekturbiennale in Venedig nachforschte, machte ich eine interessante Entdeckung. Ich sah, dass der „Deutsche Pavillon“ auf der diesjährigen Architekturbiennale eine Werkstatt beherbergt, welche über eine erstklassige Ausstattung von Werkzeugen verfügt. Auf den Fotos entdeckte ich sowohl Handwerkzeuge für die Holzbearbeitung als auch professionelle Elektrowerkzeuge von bekannten Herstellern wie Festool oder Makita.
Da reifte in mir der Gedanke, dass der Deutsche Pavillon sicher auch für Holzbearbeiter einige interessante Aspekte zu bieten hat. Nach einer tiefergehenden Recherche habe ich mich dann Mitte November selber auf den Weg Richtung Venedig gemacht, um mir dieses Werkstatt-Projekt mal in echt anzuschauen.
Der „Deutsche Pavillon“ auf der Architekturbiennale in Venedig
Alle 2 Jahre findet diese Architekturbiennale in Venedig statt. In 2023 war die Biennale vom 20. Mai bis zum 26. November geöffnet. Sie bestand aus verschiedenen Ausstellungen und Länderpavillons. In diesem Artikel will ich mich ganz auf den Deutschen Pavillon konzentrieren. Er stand unter dem Motto „Umbau jetzt!“.
Als ich im November in Venedig war, habe ich mich im Deutschen Pavillon mit Florian Summa zu Interviews getroffen. Florian Summa ist Teil des Kuratorenteams, welches den „Deutschen Pavillon“ in 2023 betreut hat. Von ihm habe ich noch einiges mehr über die Werkstatt und das ganze Projekt erfahren:
Material aus der Kunstbiennale
Ein wichtiges Anliegen des Kuratorenteams war es, für die geplanten Bauprojekte fast ausschließlich gebrauchtes Material zu verwenden. Außerdem wurde im Vorfeld der Biennale der Deutsche Pavillon erst einmal umgebaut, um dem geplanten Zweck dienen zu können. Auch dazu wurde gebrauchtes Material hergenommen. Dieses stammte von der Kunstbiennale, welche ein Jahr vorher in Venedig stattgefunden hatte. Für das Team des Deutschen Pavillons ergab sich dadurch die Möglichkeit, etliche Tonnen Material zu bekommen, welches das Team nur abholen und einlagern musste.
So entstand ein umfangreiches Materiallager im zentralen Raum des Deutschen Pavillons. Dort sortierte man das Material und stapelte es auf. In einem weiteren Schritt erfasste man die einzelnen Teile digital.
Unter Verwendung des eingesammelten Materials baute man den Deutschen Pavillon zu einem Ort des Schaffens um. Neben dem Materiallager entstand der Werkstattraum mit Arbeitsplätzen und allen nötigen Installationen, um mit Maschinen arbeiten zu können. Es entstand aber auch eine Rampe, welche es möglich machte, schwere Lasten bequem auf Rollwägen ins Gebäude zu transportieren.
Man legte aber mindestens genauso viel Wert darauf, das Gebäude für die Zusammenkunft von Menschen auszurüsten. So dient die Rampe auch Menschen mit Gehbehinderungen, um leichter ins Gebäude hineinzugelangen. Im Gebäude richtete man eine Teeküche, einen Versammlungsraum und einen Waschraum ein. So wurden sowohl soziale wie auch körperliche Bedürfnisse berücksichtigt.
Die Werkstatt im Deutschen Pavillon
Den eigentlichen Werkstattraum konnte man direkt vom Hauptraum aus erreichen. Dort in der Werkstatt des Deutschen Pavillons fiel mir auf, dass große Maschinen fehlten. Ebenfalls fehlten feste Einbauten, wie beispielsweise große Absauganlagen. Gearbeitet wurde stattdessen mit Handwerkzeugen und mobilen Elektrowerkzeugen. Als Arbeitstische dienten auf Böcken lagernde Holzwerkstoffplatten. Die ganze Werkstatt hatte dadurch einen mobilen Charakter. Das heißt, dass man diese Werkstatt auch leicht wieder abbauen und woanders aufbauen kann. Ich sah, dass die Handwerkzeuge in Vitrinen aufbewahrt wurden, während die Elektrowerkzeuge darunter verdeckt verstaut waren.
Durch den mobilen Charakter der Werkstatt fühlte ich mich an die Arbeitsweise auf einer Montagebaustelle erinnert. Denn bei der einer Montage wird eine „Werkstatt auf Zeit“ aufgebaut, bis das Projekt beendet ist.
Während ich den Deutschen Pavillon besuchte, waren gerade zwei Arbeitsplätze im Freien vor dem Gebäude aufgebaut. Ich beobachtete dort einige junge Erwachsene, wie sie mit verschiedenen Elektrowerkzeugen gearbeitet haben. Für dieses Outdoor Woodworking lieferte das mediterrane Klima Venedigs sehr gute Rahmenbedingungen. Selbst im November sorgte die Sonne noch für sehr angenehme Temperaturen. In der Werkstatt selbst herrschte reges Treiben. Schüler- und Studentengruppen arbeiteten dort an weiteren Projekten. Hinzu kamen noch die Besucher der Biennale, welche alle Räume frei begehen konnten.
Die Projekte der Werkstatt
Während der gesamten Laufzeit der Architekturbiennale in Venedig wurden im Deutschen Pavillon Projekte durgeführt. Beteiligt waren internationale Initiativen, Universitäten und Ausbildungsstätten. Unter dem Motto „Umbau jetzt“ ging es um Umbau- und Sanierungsarbeiten. Gearbeitet wurde nicht nur in der Werkstatt des Deutschen Pavillons, sondern auch an verschiedenen Orten in der Lagunenstadt.
Bei den Umbau- und Sanierungsarbeiten ging es natürlich nicht nur um Holz. Doch auch für mich als Holzbearbeiter gab es da viel Interessantes zu sehen. Denn auch Möbel wurden gebaut, und Innenausbauten aus Holz sind entstanden. Für mich war besonders inspirierend zu sehen, was aus gebrauchtem Material so alles Nützliche und Schöne entstanden ist. So gab es beispielsweise Tischfüße aus so unterschiedlichen Materialien wie alten Rohren, Spanplattenresten, Massivholzabschnitten, Sperrholz und Beton.
Gebrauchte Materialien zu neuen Produkten verarbeiten
Wie bereits erwähnt, ging es dem Team des Deutschen Pavillons darum, die Projekte hauptsächlich mit gebrauchtem Material umzusetzen. Dahinter standen Gedanken der Nachhaltigkeit und des „Care“ – dass man sich um Häuser, Möbel und andere Dinge kümmert, sie pflegt, repariert und recyclet. Das Anliegen, achtsamer mit all diesen Dingen umzugehen.
Nun ist ja die Architekturbiennale in Venedig bereits zu Ende. Der Deutsche Pavillon war nur eine Werkstatt auf Zeit. Hier wurden verschiedene Ideen entwickelt, wie man gebrauchtes Material zu neuen Produkten verarbeiten kann. Es wurden etliche Projekte durchgeführt. Viele Menschen haben hier Inspiration gefunden und gingen mit neuen Ideen in ihren Alltag zurück.
Doch wo kann man diese neuen Ideen hier in Deutschland in die Tat umsetzen? Das geht zunächst natürlich in der eigenen Werkstatt oder Wohnung. Eine andere Möglichkeit bieten Repair-Cafés oder auch Fablabs. Eine Initiative, die gebrauchte Materialien wieder zu neuen Produkten verarbeitet, ist das Haus der Materialisierung in Berlin. Dort werden unter anderem Workshops zum Thema Wiederverwertung und Weiterverarbeitung von Gebrauchtmaterialien angeboten.