Titelbild: Treppe am Eingang des Deutschen Pavillons auf der Architekturbiennale in Venedig Foto © ARCH+ SUMMACUMFEMMER BUERO JULIANE GREB
Im November 2023 habe ich die Architekturbiennale in Venedig besucht und war vor allem vom Deutschen Pavillon sehr beeindruckt. Neben den handwerklichen Projekten, welche ich dort sah, inspirierten mich die präsentierten Nachhaltigkeitsthemen wie „Nachhaltige Nutzung von Ressourcen“ und „soziale Gerechtigkeit“. Das ganze Werkstatt-Projekt war eingebettet in eine Wertediskussion. Viele der in diesem Text dargelegten Ideen habe ich mit Florian Summa in einem Interview besprochen. Er gehörte zum Kuratorenteam des Deutschen Pavillons.
Nachhaltigkeit
In meinen Gesprächen mit Florian Summa war das Thema Nachhaltigkeit immer präsent. Dabei wurde mir bewusst, dass fast alles früher schon mal da war, was wir dort diskutierten. Ökologisches Denken war auch schon in den 80er Jahren angesagt. Beeinflusst vom Öko-Trend der 80er habe ich in den 90er Jahren Vollholzmöbel gebaut und diese mit einer ökologischen Oberfläche versehen. Die Erkenntnis, dass Ressourcen begrenzt sind, wurde öffentlich diskutiert. Viele Menschen fragten sich, wieviel wir jetzt noch verbrauchen dürfen und was wir bewahren müssen, damit auch zukünftige Generationen ausreichend Ressourcen haben. Das Thema Nachhaltigkeit war während der letzten Jahrzehnte in der öffentlichen Diskussion fast immer präsent.
Während der Gespräche mit Florian Summa, aber auch später beim Nachdenken über das Besprochene, ist mir klar geworden, dass mir das Thema Nachhaltigkeit eigentlich schon immer wichtig war. Und dass ich mich auch weiter mit dem Thema befassen will. Wo ginge das besser, als in meinem eigenen Spezialgebiet als Möbelschreiner? In meinem Fachgebiet habe ich es da mit Themen zu tun wie Möbelrecycling, Upcycling, nachhaltige Möbelkonstruktion, natürliche Möbeloberflächen und der Verarbeitung gebrauchter Materialien im Möbelbau. Alle diese Themen stehen natürlich auch Ihnen als Holzbearbeiter offen.
Soziale Gerechtigkeit
Florian Summa war wichtig, dass die Projekte im Deutschen Pavillon auch den Menschen nutzen, welche in Venedig ansässig sind. Die Architekturbiennale sollte nicht separiert von ihrem städtischen Umfeld stattfinden. Von Seiten der Kuratoren gab es den Wunsch, sich zu öffnen und sich zu vernetzen. So hat das Team des Deutschen Pavillons auch mit lokalen Initiativen in Venedig zusammengearbeitet, welche mit den Verhältnissen vor Ort bestens vertraut waren. Im Rahmen dieser Kooperationen führten Schüler- und Studentengruppen in Wohngebieten Venedigs Projekte durch. Sie nahmen beispielsweise kleine Einbauten in Sozialwohnungen vor, um die Wohnverhältnisse der dort lebenden Menschen zu verbessern.
Ich habe großen Respekt vor der sozialen Ausrichtung dieser Projekte. Hier kam eine dienende Grundhaltung zum Ausdruck. Nachhaltigkeit und soziale Gerechtigkeit gehören auch für mich eng zusammen. Es wäre aus meiner Sicht ein Widerspruch, Ressourcen schonen zu wollen und gleichzeitig Menschen in unwürdigen Verhältnissen leben zu lassen.
Wie kann man Menschen für nachhaltigen Möbelbau begeistern?
In den Holzbearbeitungskursen, die ich regelmäßig halte, habe ich immer wieder Gespräche mit Kursteilnehmern über Nachhaltigkeit. Bei vielen von ihnen konnte ich feststellen, dass ihnen Nachhaltigkeit ein wichtiges Anliegen ist. Hier sehe ich eine Chance das Thema Nachhaltigkeit voranzubringen, indem ich nämlich zuerst einmal mit den Leuten arbeite, die schon eine Sicht für das Thema haben. In den Holzbearbeitungskursen erlernen sie handwerkliche Fertigkeiten und beginnen dann zuhause nachhaltige Möbel zu bauen. Gelingen ihnen dann nachhaltige Möbelbauprojekte, könnte das helfen, die Idee vom nachhaltigen Möbelbau weiterzuverbreiten, einfach durch die Begeisterung für die Sache.
Ein innovativer Prozess
Geht es um das Thema Nachhaltigkeit, gibt es meiner Meinung nach keine endgültigen Lösungen. Das liegt schon allein daran, dass sich die Gegebenheiten ständig ändern. So wächst beispielsweise aktuell die Dringlichkeit in vielen Bereichen wie beispielsweise beim Voranschreiten des Artensterbens oder bei der fortgesetzten Abholzung der Urwälder. Es braucht also ein ständiges Ringen um Lösungswege, welche sozial ausgewogen und dem Problem angemessen sind. Als Holzbearbeiter sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass wir wichtige Entscheidungen treffen, wenn wir unsere Projekte planen. Als Holzbearbeitungslehrer kann ich Angebote machen. Ich kann Diskussionsbeiträge liefern in einem Gespräch zwischen gleichberechtigten Partnern. Ziel ist es in einem innovativen Prozess zu sein, welcher andauert.
Der Deutsche Pavillon als Vorbild
Im Deutschen Pavillon wurde eine Nachhaltigkeitsvision kommuniziert. Gearbeitet wurde sehr kreativ mit eher wenigen Vorgaben. Der Arbeitsstil ähnelte häufig dem von Heimwerkern. Die Schüler und Studenten durften in den Projekten selbst Praxiserfahrungen sammeln und waren dabei Teil eines nachhaltigen Projektes. Meiner Erfahrung nach ist es viel prägender, selbst einmal Hand anzulegen, als viele schlaue Bücher über Nachhaltigkeit zu lesen. Das wird nur noch übertroffen von inspirierenden Vorbildern. Menschen, die ihre Vision leben und durch ihre Ausstrahlung überzeugen. Ich möchte an dieser Stelle natürlich nichts gegen schlaue Bücher sagen. Sie sind unbedingt notwendig. Theorie und Praxis ergänzen einander und sind beide unverzichtbar.
Alleine arbeiten – oder in der Gruppe?
Die Projekte des Deutschen Pavillons wurden meist von Gruppen durchgeführt. So konnte der Erfahrungsschatz einer ganzen Gruppe genutzt werden. Im Gegensatz dazu arbeitet man in der DIY Bewegung meist alleine. Aus meiner Erfahrung als Handwerker kenne und schätze ich beides: das Teamwork, aber auch die Projekte, welche man in Ruhe alleine in der eigenen Werkstatt durchführt.
Am Teamwork schätze ich das voneinander Lernen und die Dynamik, welche schneller zu Ergebnissen führt. Am alleine arbeiten schätze ich die Ruhe und die kreativen Freiräume. Aus Teamsituationen nehme ich oft sehr viele Eindrücke mit, welche ich danach erst einmal alleine aufarbeiten muss. Dies mache ich besonders gerne in der eigenen Werkstatt. Die Lern- und Arbeitssituation in der Gruppe und das Aufarbeiten des Gelernten in der heimischen Werkstatt befruchten sich gegenseitig. In der individuellen Auseinandersetzung mit dem Gelernten findet man heraus, wie man selber arbeiten will und entwickelt die neuen Arbeitstechniken kreativ weiter.
Eine sinnvolle Investition in die Zukunft
Der Deutsche Pavillon in Venedig hat vielen jungen Menschen die Möglichkeit geboten, eine Vielfalt an Erfahrungen zu sammeln wie Teamwork, praktisches handwerkliches Arbeiten in einer anderen Kultur und die Berührung mit nachhaltigem Denken und Handeln. Menschen, welche so intensiv in Neues eingetaucht sind, haben eine gewaltige Horizonterweiterung erfahren. Will man innovatives und visionäres Denken bei jungen Menschen fördern, sind Projekte wie der Deutsche Pavillon auf der Architekturbiennale perfekt dafür geeignet und stellen eine sinnvolle Investition in die Zukunft dar. Wenn Menschen sowohl praktisch als auch theoretisch mit dem Thema Nachhaltigkeit konfrontiert werden, ist der Lerneffekt meines Erachtens am besten. Man wird nicht nur kognitiv gefordert sondern ganzheitlich.
Wie man als Holz Heimwerker selber aktiv werden kann
Der Weg, welcher im Deutschen Pavillon gegangen wurde, kann auch für Sie als Holz Heimwerker eine passende Vorgehensweise sein. Suchen Sie sich inspirierende Projekte, lesen Sie inspirierende Artikel und reisen Sie in Länder, in denen Nachhaltigkeit vorbildlich in die Praxis umgesetzt wird. Ein mögliches Ziel könnte Holland sein. Dort baut Piet Hein Eek moderne Möbel aus Altholz. Aber auch in Deutschland gibt es Leuchtturmprojekte wie das „Haus der Materialisierung“ in Berlin. Ist man dann wieder Zuhause, geht es natürlich sofort ab in die Werkstatt.
Weiterführende Artikel zum Thema
- Eine Werkstatt auf der Architekturbiennale in Venedig
- Behandlung von Oberflächen aus Holz mit Leinöl